Vom Erdbeben vor 50 Jahren hat sich die mazedonische Kapitale Skopje längst erholt, jetzt aber wird sie "zur Großstadt demoliert". Da empfiehlt sich eine Flucht an den beschaulichen Ohrid-See mit seinen historischen Schätzen.
Steinerne Zeugen der reichen Vergangenheit am Ohrid-See: Reste der frühchristlichen Basilika Plaošnik.
Nationalheld
Gasse in Ohrid.
Archäologische Sammlung.
Vor wenigen Tagen, am 26. Juli, jährte sich das verheerende Erdbeben, das die mazedonische Hauptstadt Skopje 1963 in Trümmer legte, zum fünfzigsten Mal. Bis heute erinnern die morgens um 5.17 Uhr stehen gebliebenen Zeiger am Bahnhofstorso an die genaue Zeit der Katastrophe. Mehr als 1000 Menschen waren damals umgekommen. Beim Wiederaufbau ging es natürlich primär um die möglichst schnelle Schaffung von Wohnraum für die Obdachlosen. Dennoch entstanden auch einzelne bemerkenswerte Objekte wie etwa die Hauptpost.
Seit einigen Jahren aber ist der Fyrom'schen Regierung ihre Hauptstadt nicht mehr repräsentativ genug. Fyrom? Ja, "Republik Mazedonien" darf sich der junge Nachfolgestaat international nicht nennen, darauf besteht Griechenland, das Gebietsansprüche an seine Provinz Makedonien wittert. Auch die Fahne mit dem "Stern von Vergina" schossen die Hellenen ihren nördlichen Nachbarn ab: Jetzt ziert eine Sonne mit acht Strahlen das rote Tuch.
Bis zu einer gütlichen Einigung heißt es also: Former Yugoslav Republic Of Macedonia oder EJRM, Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien. In diesem Mazedonien herrscht zwar in der Staatskasse Ebbe, aber im Parlament eine "nationaldemokratische" Partei, die den Ministerpräsidenten stellt. Dieser Nikola Gruevski gebar das Projekt "Skopje 2014", das derzeit seiner Vollendung entgegenschreitet.
Damit passiert in Skopje, was Karl Kraus einst Wien attestierte: Es "wird jetzt zur Großstadt demoliert". Protzige Paläste in einem längst überwunden geglaubten, pseudoklassizistischen Stil säumen das Ufer des Vardar, 40 Statuen großteils angeeigneter Ahnen erobern jeden freien Platz.
Den Vogel schießt dabei ein übergroßer Alexander ab, den man vor zwei Jahren auf seinen Sockel hievte. Amtlich heißt er allerdings, um die Griechen nicht noch mehr zu provozieren, "Soldat zu Pferd". Fast zehn Millionen Euro soll das Opus gekostet haben, wovon das meiste an eine Florentiner Bronzegießerei ging. Gegenüber, auf der anderen Seite der Steinernen Brücke aus türkischer Zeit, steht ein "Soldat zu Fuß", in Wahrheit Alexanders Vater Philipp II. Aber gehört es sich, dass der Senior stehen muss, während der Sohn sitzt?
Genug, wir wollen Echtes sehen, Authentisches, also auf in die Altstadt! Doch zuerst wird der Kopf eingezogen. Nur gebückt kommt man zur herrlichen Nussholz-Ikonostase in der tiefer liegenden Erlöserkirche, erlaubten doch die muslimischen Osmanen den Christen keine über die Hausdächer ragenden Sakralbauten. In der benachbarten Carsija, dem vorwiegend albanisch besiedelten Basar, empfängt die Besucher orientalisches Ambiente mit Moscheen und Karawansereien, Hamams, also Dampfbädern, und einem türkischen Uhrturm. In den Läden finden sich hier schöne Opanken, die hier typischen Pantoffeln, dort goldener Schmuck. Der Duft von Kebab geleitet zum nahen Bit Pazar, wo gelbe Paprika, violette Melanzani, knallrote Tomaten und saftiges Grünzeug um die Gunst der Hausfrauen eifern.
Die Statuen der Slawenapostel Kyrill und Method in "Neu-Skopjes" Ahnengalerie wecken die Lust, ins Zentrum der mittelalterlichen Orthodoxie zu pilgern, an den Ohrid-See, den sich Mazedonien mit Albanien teilt.
Schon die fruchtbare Landschaft rund um die "Perle des Balkans" bezaubert: Flankiert von grünen Bergen reifen hier an der antiken Via Egnatia, die Konstantinopel mit der Adria verband, Feigen, Granatäpfel und Walnüsse; Zypressen verleihen dem Bild ernsthafte Feierlichkeit. Kein Wunder, dass in diesem Paradies um die Wende vom ersten zum zweiten Jahrtausend fromme Mönche zahlreiche Kirchen und Klöster gründeten.
Von Ohrids Hafen, in dem Ausflugsboote dümpeln, führen enge Gässchen vorbei an restaurierten Balkanhäusern mit vorragendem Obergeschoß zur Sophienkirche. In eine Moschee umgewandelt, büßte der typisch byzantinische Ziegelbau nach der osmanischen Eroberung Glockenturm und Kuppel ein. Aber unter einer Kalkschicht überlebten wunderbare Fresken wie die kraftvoll archaische Muttergottes in der Apsis. Wenige Schritte weiter entzückt Sveti Kliment den kunstsinnigen Betrachter mit einer üppigen Ausmalung, die wirklich kein Stückchen Mauer frei lässt.
Auf dem höchsten Punkt bietet die Zitadelle von Zar Samuil, der Ohrid vor einem Jahrtausend zur Hauptstadt seines bulgarischen Reichs erhob, prächtige Aussicht auf die ziegelroten Dächer und den See. Ja, Ohrid und seine Umgebung erhielten die Auszeichnung als UNESCO-Welterbe zu Recht. Landschaftlich und kulturell ist das kleine Mazedonien tatsächlich ganz groß.
Daten und Fakten
Mazedonien umfasst 26.000 Quadratkilometer (etwa zwei Mal Salzburg und Oberösterreich) und hat zwei Millionen Einwohner.
Austrian fliegt Skopjes Airport "Alexander the Great" täglich an; zweiter internationaler Flughafen: Ohrid.
Kein Visumzwang, ein gültiger Pass ist ausreichend.
Gruppenreisen nach Mazedonien gibt es im Rahmen von Balkan-Touren, zum Beispiel bei www.kneissltouristik.at
Folge uns