Ohrid See in Makedonien ist der älteste See Europas

KLIMAFORSCHUNG AUF DEM BALKAN
Detektiv am ältesten See Europas



Geologe Dr. Bernd Wagner von der Universität Köln.
Foto: Peter Rakoczy

Forscher aus aller Welt, die Erkenntnisse über die Auswirkungen des Klimawandels gewinnen wollen, zieht es derzeit an die albanisch-mazedonische Grenze. Hier liegt, als hätte man eine Badewanne in die südlichen Ausläufer des Balkans geschlagen, der Ohridsee – Europas ältestes Binnengewässer. Im vergangenen Frühjahr besuchte ein mehrköpfiges Geologenteam der Universität zu Köln den Schauplatz für aufwendige Tiefenbohrungen. Geleitet hat die Expedition Bernd Wagner vom Institut für Geologie und Mineralogie.



Der Ohridsee
Die Expedition zum Ohridsee kostete zwei Millionen Dollar. Die Hälfte der Mittel kommt vom Internationalen Tiefbohrprogramms (ICTP), 200 000 Euro von der Uni Köln. Der Ohridsee gehört zu den artenreichsten Seen Europas. (mbo)

Das Forscherteam arbeitete auf einer Plattform im Ohridsee.


„Es gibt weltweit nur ganz wenige Seen, die älter als eine Millionen Jahre sind. Die meisten Seen Deutschlands und Skandinaviens zum Beispiel sind erst nach der letzten Eiszeit entstanden, also jünger als 15 000 Jahre“, erläutert der Forscher. Der Ohridsee ist darüber hinaus dafür bekannt, dass dort mehr als 200 Tier- und Pflanzenarten vorkommen, die nur hier existieren. „Das Ziel der Forschungsreise war, das genaue Alter des Sees zu datieren und mehr über seine Entstehung zu erfahren.“ Wie konnte es zu der ungewöhnlichen Artenvielfalt kommen? Braucht es dazu über große Zeiträume besonders stabile Bedingungen oder eher eine Klimakatastrophe, die zum Aussterben vorhandener Arten führt – und so andere begünstigt?

Erste Materialprobe direkt nach der Bohrung
Groß war das wissenschaftliche Interesse daher, als die Bohrungen im April 2013 begannen. Gearbeitet wurde im Schichtbetrieb auf einer schwimmenden Plattform, die zuvor aus acht 40-Fuß-Containern zusammengesetzt worden war. „Wir waren am Ostteil des Sees in einem Hotel untergebracht und fuhren jeden Tag mit einem kleinen Boot in die Mitte des Sees“, erinnert sich Wagner. Mit einem speziellen Bohrer gruben sich die Forscher bis zu 569 Meter unter den See.

Dass die Bohrungen – bis auf wenige Schlechtwettertage, an denen die Arbeiten ruhen mussten – planmäßig verliefen, entschädigte die Teilnehmer für den schlechten Start der Expedition. Ein tragischer Zwischenfall hatte das Projekt kurz vor dem zunächst anvisierten Start im Sommer 2012 verzögert: Das Containerschiff MSC Flaminia, das die Ausrüstung des beauftragten US-amerikanischen Bohrunternehmens transportierte, fing Feuer, eine Explosion tötete zwei Menschen. „Als das Schiff nach einer mehrwöchigen Irrfahrt endlich in Wilhelmshaven landete, mussten wir die Vorbereitungen noch einmal von vorne beginnen“, erinnert sich Wagner.

Zurück im Institut an der Zülpicher Straße läuft nun seit einigen Wochen die Auswertung der geborgenen Sedimente. Vier bis fünf der drei Meter langen Einzelkerne werden pro Tag geöffnet, fotografiert, dokumentiert und beschrieben. Es folgen erste Analysen, ausgewählte Proben werden an internationale Kollegen verschickt. In den Bohrkernen können die Forscher Ablagerungen von Kleinsttieren und Mineralien erkennen und so Rückschlüsse auf die Klimabedingungen in bestimmten Zeiten ziehen.

„Wir haben es mit einem sehr gut aufgelösten Sedimenten zu tun“, so Wagner. Die einzelnen Eis- und Warmzeiten, letztere mit markanten grünlichen Verfärbungen, seien sehr schön zu erkennen. Auch größere Ascheablagerungen lassen sich entdecken. „Das sind zum Teil mächtige Lagen von zehn Zentimetern Dicke. Aus geologischer Sicht haben wir hier ein Archiv der Vulkanaktivitäten von mehr als einer Million Jahre vor uns“, so Wagner.

Bis alle Proben untersucht sind. wird es wohl zwei Jahre dauern. Am Ende, das ist das erklärte Ziel, soll eine Publikation in den Magazinen Science oder Nature stehen. „Was wir aber jetzt schon sagen können, ist, dass der Ohridsee jünger ist als bislang vermutet. Wir schätzen sein Alter auf nur 1,3 bis 1,8 Millionen Jahre.“ Dass er dennoch als Referenzort für vergleichende Analysen und zur Überprüfung von Klimamodellen geeignet ist, davon ist Wagner überzeugt.