Wenige können mit dem Namen "Šar Planina" was anfangen. Aber gerade bei Skifans macht der Namen seit geraumer Zeit die große Runde: Gemeint ist damit ein rund 80 km langer Gebirgszug in Mazedonien. Ja, Mazedonien ist ein Gebirgsland mit mehreren Dutzend Zweitausendern mit herrlichen Skigebieten, teils noch unberührt.
Darunter sind einige Gipfel, die bis auf 2700 m und 2800 m hoch reichen - mehr könnt Ihr dazu in unserem Beitrag: Wusstet Ihr? Makedonien und seine Gipfelspitzen! erfahren.
Aber wirklich interessant wird dies erst, wenn man sich die klimatischen Verhältnisse dort in Mazedoniens Gebirgszügen anschaut. Denn das Land liegt generell im Übergangsgebiet zwischen dem mediterranen und kontinentalen Klima. Somit herrschen warme Sommer und kalte Winter mit starken Schneefällen in den Hochlagen. Die Baumgrenze liegt im Schnitt bei 1700 Metern.
Dies alles zusammen lässt jedes Skifan-Herz höher schlagen.
An sich gibt es in Mazedonien an die zehn Skigebiete. Das bekannteste davon heist "Popova Šapka" und liegt auf dem Eingangserwähnten Gebirge der Šar Planina. Man sollte darunter aber keine mit Liften zugebauten, hochmodernen Gebiete erwarten. Aber wer will schon Lift fahren...
Um Euch das Skigebiet Popova Šapka näher zu bringen, bedienen wir uns beim Der Standard mit einem Artikel von Roland Wiedemann
Heli-Skiing für den kleinen Mann
Mit umgebauten Pistenraupen geht es in Mazedonien zum unverspurten Schnee
Die Mittagspause muss ausfallen. "Essen", findet Christoffer, "können wir unterwegs." Der Däne spricht aus, was alle denken. Brane stapelt also gleich wieder die Skier in den Außenkorb, zieht nach dem letzten Paar seine weißen Wollhandschuhe aus und setzt mit knurrendem Magen die Schneekatze ruckelnd in Bewegung. Die Fahrgäste hinten im Käfig sind gierig. Sie wollen rauf und runter, bis es dämmert und die Oberschenkel brennen. Heute muss es noch schneller gehen. Hinter Branes breitem Rücken geht die Angst um, die Sonne könnte den Kampf gegen den aufsteigenden Nebel alsbald verlieren. Wer weiß das schon bei diesem verrückten Balkan-Wettermix.
Draußen wirbelt der Pulverschnee auf, drinnen werden Wurst und Käse durchgereicht. Konrad legt eine ordentliche Scheibe Schinken auf sein Brot, während er auf der schmalen Sitzbank durchgeschüttelt wird. Er erzählt von all den Katastrophen gestern auf der Fahrt nach Popova Šapka. Wie das Getriebe nach 500 Kilometern seltsame Töne von sich gab und er und seine Freunde im defekten Auto nach Warschau zurückschlichen. Irgendwann fiel die Entscheidung, dem Wahnsinn kein Ende zu setzen, sondern in einem anderen Wagen die 1600 Kilometer erneut in Angriff zu nehmen. Blöd nur, dass ein Paar Skischuhe beim Umladen vergessen wurde.
"Ein Horror", klagt Konrad, "aber schau dir nur dieses Gelände an." Durch die zerkratzte Plexiglasscheibe taucht aus dem Nebel der sanft geschwungene Bergrücken auf, den sich der Pistenbully mit ratternden Ketten hinaufarbeiten wird, von 1800 auf 2700 Meter in 20 Minuten. Beiderseits führen weite, makellose Tiefschneehänge nach unten. Und das Beste: keine Konkurrenz, 32 Quadratkilometer allein für die zwölf Gäste in Branes feuerrotem Tiefschneetaxi.
Bis vor kurzem war Brane ein ganz normaler Taxifahrer. Dann ist er gefragt worden, ob er nicht pulverschneesüchtige Touristen auf die Gipfel der Šar Planina, einem Gebirgszug im mazedonisch-kosovarischen Grenzgebiet, chauffieren wolle. Brane sagte Ja, übte mit der Schneekatze und macht nun in Europas einzigem Catskiing-Gebiet Leute von weither glücklich. Am Abend beim Essen im Armee-Hotel, wo am Eingang ein Uniformierter neben einem mannshohen Wäscheberg mit einem Lächeln grüßt, erzählt Tomislav Tiska, der Chef von "Eskimo Freeride", wie die Catskiing-Idee entstanden war.
Der Kroate, der schon als Kind im Winter viele Wochen in Popova Šapka verbrachte, hatte das Ahaerlebnis beim Heliskiing in Russland. Weil ein Schneesturm tobte, mussten die Hubschrauber auf dem Boden bleiben. Stattdessen ging es mit umgebauten Pistenraupen auf den Berg. Man nennt das Catskiing, erfuhr Tomislav. Andere sagen dazu "Heliskiing für den kleinen Mann", weil es billiger ist. Tomislav, der Ex-Snowboard-Profi, wusste jedenfalls sofort: Catskiing ist genau das Richtige für Popova Šapka, diesen Dornröschen-Skiort.
Tatsächlich liegt die Auslastung im dritten Winter bei 80 Prozent. Tomislav, kein gegelter Turbokapitalist, sondern ein gutmütiger Mensch mit langem Haar und Vollbart, der am liebsten selbst auf dem Snowboard steht, hat gerade 70.000 Euro in eine zweite, gebrauchte Pistenraupe investiert. Nicht um mehr Leute auf die Berge zu karren, sondern für den Fall von technischen Problemen. Und Tomislav plant zwei weitere Catskiing-Gebiete zu erschließen. Der Start in Popova Šapka macht Mut.
Popova Šapka - das war einmal einer der beliebtesten Skiorte auf dem Balkan. Auch noch 1991, als Mazedonien von Titos Erben ohne kriegerische Auseinandersetzung in die Unabhängigkeit entlassen wurde.
Keine Schirmbar, kein Balkan-Pop
Heute werden wieder Ferienhäuser gebaut, aber Leben ist in den Ort mit gut einem Dutzend Hotels und Restaurants nicht wirklich zurückgekehrt. Keine Schirmbar, kein Balkan-Pop. Eigentlich müsste Hochsaison sein. Doch im "Hotel Popova Šapka", einer Bettenburg französischen Stils, gehen weder Gäste ein noch aus. Auf dem riesigen Parkplatz steht nur einsam und verlassen eine Pistenwalze. Die Lifte stehen still, nicht weil der Schnee fehlt. Es ist Dienstag, und die altertümlichen Anlagen laufen - wenn überhaupt - nur an den Wochenenden. Die Löhne im Land sind niedrig, die Arbeitslosigkeit ist hoch, keine guten Voraussetzungen für einen florierenden Massenskitourismus.
In der "Snow Patrol Lodge" langweilen sich daher die Kellner. Als Tomislav nach einem erneut famosen Catskiing-Tag mit seinen Gästen eintritt, kommt Bewegung in die Angestelltenschar. Im Kamin knistert das Feuer, das Personal ist überaus freundlich, der mazedonische Rotwein schmeckt vorzüglich. Dennoch bleiben die anderen Tische leer. Nach ihrem Kurzeinsatz schauen die Ober wieder englischen Fußball im Fernsehen.
Nebenan hat Vladimir das "D Haus" für das jüngere Publikum eröffnet. Viele Freunde, erzählt der 26-Jährige, versuchen in Prag oder Wien ein neues Leben aufzubauen. "Doch ich will nicht weg. Ich liebe die Berge der Šar Planina ." Für ihn, erklärt Vladimir, ist Tomislavs Unternehmen ein Segen. "Kürzlich hat eine Eskimo-Gruppe für 200 Euro gegessen und getrunken - 200 Euro!" Und gestern hat sich eine amerikanische Filmcrew einquartiert.
Noch hat sich nicht herumgesprochen, dass die Šar Planina all das zu bieten hat, wonach man als Variantenfahrer sucht: unverspurte Hänge, eine einsame Hochgebirgslandschaft, gastfreundliche Menschen, keinen Pistenrummel, dafür reichlich Schnee. (Roland Wiedemann/DER STANDARD)
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