Pelikane, Kormorane und Schildkröten: Auf Mazedoniens einziger Insel Golem Grad erleben Touristen eine unverdorbene Naturidylle. Erst seit 2008 ist das unbewohnte Eiland zugänglich - für einen erfolgreichen Architekten zählt es zu den schönsten Orten der Erde.
Das schicke Anwesen täuscht nicht darüber hinweg, dass die Wildnis hier noch intakt ist. Davon zeugt auch der ramponierte Zaun auf der dem Wald zugewandten Seite des Hotels. "Letzte Woche habe ich aus Versehen Honig auf dem Balkon stehen lassen. Über Nacht bekam ich dann Besuch von einem Bären", berichtet Goce Stankoski.
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Sein Geld verdient der Architekt mit kunstvollen Bauwerken, die in Mazedoniens boomender Hauptstadt Skopje derzeit sehr gefragt sind. Seine Leidenschaft gehört aber der Natur - und davon gibt es reichlich in der Region um den Prespasee im äußersten Südwesten des kleinen Balkanstaates.
Goce hat sich im verschlafenen Fischerdorf Konjsko ein Hotel gebaut. Von hier aus bringt er Besucher in kleinen Gruppen zu Mazedoniens einziger Insel Golem Grad. Das winzige Eiland ist Teil des Galicica-Nationalparks, dessen namensgebender Gebirgszug entlang der albanisch-mazedonischen Grenze verläuft. Erst 2008 gab die mazedonische Regierung die Insel unter strikten Schutzauflagen für Besucher frei.
Bis zu 30 Meter hoch türmen sich die Felsen von Golem Grad (zu Deutsch "Große Stadt") über der Wasseroberfläche. Das nur 18 Hektar große Stück Land ist wohl von den benachbarten Bergen abgesplittert, als ein gigantisches Urzeitbeben den See schuf. Nur etwa 1200 Meter von der Südspitze entfernt treffen mitten im Prespasee die Grenzlinien von Mazedonien, Albanien und Griechenland aufeinander: Per Motorboot könnte man hier in wenigen Minuten durch drei Länder fahren.
Natur als Inspiration
Ein Teil der Felsen von Golem Grad ist fast schneeweiß und erinnert an die Kreidefelsen auf Rügen. Doch anders als in der Ostsee sind die natürlichen Mauern der Schlangeninsel eingefärbt. "Das kommt von den Hinterlassenschaften der Vögel", erklärt Goce schmunzelnd. Die gesamte Insel wird von Zypressengewächsen wie dem Griechischen Wacholder gesäumt. Die Bäume scheinen direkt aus den Felsen zu wachsen.
Was treibt einen wohlhabenden Architekten in diesen entlegenen Winkel? "Die Stille und die frische Luft zum Atmen. Ich brauche die Natur, um mich entfalten zu können", sagt Goce. Sein Vater und Onkel hatten sich schon vor 30 Jahren hier niedergelassen. Als er vor 15 Jahren nach Konjsko kam, sei er gesundheitlich angeschlagen gewesen. "Heute geht es mir bestens. Dieser Ort ist gut für die Gesundheit", ist sich Goce sicher. Die Idylle fördere zudem seine Kreativität als Architekt. "Meine besten Bauprojekte habe ich hier geplant."
Von Konjsko aus dauert die vier Kilometer lange Überfahrt mit einem kleinen Fischerboot etwa 25 Minuten. Unterwegs begegnet man Pelikanen, die sich auf dem See tummeln. Sie halten gebührenden Abstand zu den wenigen Fischerbooten - ein Zeichen dafür, dass sich die Tiere noch nicht an Menschenmassen gewöhnen mussten.
Der umgangssprachliche Name Schlangeninsel wirke manchmal durchaus abschreckend auf jene Besucher, denen die Reptilien nicht geheuer sind, erzählt Goce unterwegs. Jedoch bekommt man die Tiere auf der Insel nur zu sehen, wenn man aktiv nach ihnen sucht. Am häufigsten anzutreffen seien die ungiftigen und äußerst friedfertigen Würfelnattern, die jedoch den Großteil des Tages zwischen den Felsen im Wasser verbringen und kleine Fische jagen.
Ein Paradies für große Vögel
Die eigentlichen Könige der Insel sind die Vögel, die die Baumkronen bevölkern. Pelikane, Kormorane und Abertausende andere Wasservögel finden hier ein nahezu unberührtes Paradies zum Brüten. Auf dem Boden sieht man hin und wieder kleine Landschildkröten gemächlich fressen. Sie sehen so alt aus, dass man meinen könnte, sie hätten die gesamte Geschichte der Insel miterlebt.
Bei Ausgrabungen in den sechziger Jahren fanden Archäologen die Überreste zweier frühchristlicher Kirchen aus dem vierten bis fünften Jahrhundert. Auch in neuerer Geschichte war das kleine Eiland von Bedeutung: Während des Krieges zwischen 1941 bis 1944 diente die Insel Partisanen als Unterschlupf, die sich mit Fischerbooten ans andere Seeufer bringen ließen.
Heute ist die Insel unbewohnt, und nur neugierige Touristen setzen mit den Booten über. Ihre Zahl ist in den letzten Jahren laut Goce merklich gestiegen. 20 bis 30, manchmal auch 50 Personen bringt allein er zur Hochsaison täglich für eine etwa zweistündige Tour auf die Insel. Daher sei es umso wichtiger, dass sich alle bei der Besichtigung an die strengen Regeln halten. Auf dem Balkan sind die Sommer trocken und mitunter sehr heiß. Viele der sonderbaren Bäume und Sträucher sind daher verdorrt. "Die Trockenheit ist meine größte Sorge", sagt Goce. "Ein einziger Funke, und alles brennt hier nieder." Rauchen sei daher auf der Insel tabu. "Bisher habe ich aber den Eindruck, dass alle Besucher, die hierher kommen, die Natur respektieren."
Wie wertvoll diese Natur hier ist, hält der Architekt in einem Buch über die Schlangeninsel fest, an dem er zwischen den Touren arbeitet. Ein Geheimtipp daraus: Die Insel ist auch in den Herbst- und Wintermonaten einen Besuch wert. "Dann ist das Farbenspiel der Bäume einfach überwältigend. Ich glaube, so findet man das nirgendwo anders auf unserem Planeten."
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