Ohrid: Grenzen im Wasser und Kirchen für jeden Tag im Jahr

Mazedonien. Am Ohridsee kamen und gingen die Touristen in Wellen. Jetzt befindet sich der See wieder stark im Aufwind.


Lange hat man nichts von ihm gehört oder gelesen, dabei war der Ohridsee in Mazedonien, ganz im Süden Jugoslawiens bis zum Zerfall von Titos Staat zu Beginn der 1990er-Jahre des vorigen Jahrhunderts so etwas wie der Star unter den touristischen Zielen des Landes. Fast täglich landeten in Ohrid, dem Hauptort an diesem größten See auf der Balkanhalbinsel, Jets mit Besuchern aus Wien, Düsseldorf oder Amsterdam. Doch als ringsum in den selbstständig gewordenen Republiken das politische Klima höchst brisant wurde, war es nichts mehr mit dem preiswerten Urlaub an dem schönen See. Die Region geriet in Vergessenheit.

Inzwischen ist aus der jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien ein eigenständiger, unabhängiger Staat geworden, in dem man sich natürlich auf die Fremdenverkehrsvergangenheit besinnt und diese wieder aufpolieren möchte. Zum Teil mit beachtlichem Erfolg, was daran liegt, dass ein individuellerer Kultur- und Naturtourismus forciert wird und die Preise niedrig sind.

Ferne Lichter, extremes Alter


Wer einst am Ohridsee seine Ferien verbracht hat (etwa auf einem der großen Campingplätze), kann sich vielleicht an das prickelnde Gefühl erinnern, abends am gegenüberliegenden Ufer die Lichter eines unerreichbaren Landes zu sehen. Der See ist zweigeteilt, etwa zwei Drittel sind mazedonisch, der Rest ist albanisch – und war damals komplett abgeschottet, für den Mitteleuropäer ein Mysterium. Heute prickelt nichts mehr, Albanien gehört mittlerweile zu den gefragten Urlaubsdestinationen.

Erdgeschichtlich ist der See so alt wie kaum ein anderer. Nur der Titikakasee und der Baikalsee können mithalten, sie sind vor rund vier Millionen Jahren entstanden. Das allein würde den Ohridsee noch nicht sonderlich interessant machen. Aber genau wie bei seinen Kollegen im Andenhochland und Sibirien leben in seinen glasklaren Fluten viele Tierarten, auch Fische, die anderswo seit Ewigkeiten ausgestorben sind oder nur noch als Fossilien existieren. Da wundert es nicht, dass die Unesco sich bereits 1979 des Gewässers und ein Jahr später der Region angenommen und unter ihren besonderen Schutz gestellt hat.

Für viele Besucher gehört die Stadt Ohrid zu den schönsten auf dem Balkan. Wer mit offenen Augen durch die Gassen der Altstadt bummelt, die bereits vor rund 2500 Jahren existiert hat, glaubt schnell der Überlieferung: Allein hier in der Stadt gäbe es 365 Kirchen, für jeden Tag im Jahr eine. Eine andere Version der Geschichte verteilt diese 365 Kirchen auf die Ufer rund um den See, auch das eine beachtliche Dichte. Und da es unter diesen Kirchen manche gibt, die vor mehr als 1500 Jahren gebaut wurden, zum Teil an exponierten Punkten wie auf Felsen hoch über dem See, lässt sich leicht ausrechnen, dass ein normaler Urlaub am Ohridsee nicht ausreicht, um sie alle kennenzulernen.




Die größte dieser Kirchen ist die der heiligen Sofija, die einstige Bischofskathedrale im Zentrum. Eine der eindrucksvollsten: sicherlich Sveti Jovan Kaneo, hoch über dem Fischerdorf Kaneo. Und nicht minder prächtig liegt der einstige Klosterkomplex Sveti Naum, der vor rund 900 Jahren vom heiligen Naum erbaut wurde und in dem nun ein Luxushotel untergebracht ist. Überragt wird die Anlage von der gleichnamigen Kirche.

Die Altstadt der 220.000-Einwohner-Metropole Ohrid prägen weiß getünchte Mauern, Erker und vorkragende Obergeschoße unter roten Ziegeldächern. Sie machen zur Landseite hin die Gassen noch enger, noch bilderbuchhafter. Zur Seeseite hin führen schmale Treppen ans Wasser hinunter, wo sich vor allem Kinder tummeln.

Feiner Sand beim Nachbarsee


Im Sommer steigt in Ohrid der Trubel durch eine Vielzahl an Diskotheken, Bars oder Open-Air-Konzerten. Der Nachbarort Struga hingegen war schon zu Titos Zeiten eher der Badeort. Dort locken weitläufige, allerdings selten feinsandige Strände sowie etliche Hotels jene Urlauber, die nicht Kultur, sondern Wasser und Sonne suchen.

Man sollte also über die Uferzonen hinausschauen und die nahegelegenen Prespaseen – den großen und den kleinen – erkunden. Obwohl man versucht, diese beeindruckende Region im Dreiländereck von Mazedonien, Griechenland und Albanien als Touristenziel zu propagieren, ist sie vom hektischen Betrieb wie in Ohrid und Struga weit entfernt.

Das Naturerlebnis steht im Vordergrund – am großen Prespasee kann man sich von einheimischen Bootsleuten zu den Brutkolonien der Pelikane bringen lassen. Von diesen gibt es hier noch mehrere hundert Paare. Und an den beiden Seen findet man auch die feinsandigen Strände, die einem am Ohridsee fehlen. Hohe Berge umgeben das Wasser, in dem ebenfalls seltene Fischarten leben. Die Gegend steht unter Naturschutz. Alles ganz ruhig hier. Nur samstags lebt im Hinterland das Dorf Resen dank seines bunten Marktes etwas auf. Hier bieten die Bauern aus der Umgebung in farbenfrohen Trachten Gemüse, Obst und Handwerkliches an.

MITTEN AUF DEM BALKAN
Der Ohridsee, die Stadt Ohrid und die Region sind seit 1979/1980 Unesco-Weltkulturerbe. Der große und kleine Prespasee sind als Naturschutzgebiet deklariert. Die Region zieht Kultur-/Studienreisende wie Wandertouristen an. Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien ist seit 1991 unabhängig.
Informationen: bei der Botschaft der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (Wien),
T 01/524 87 56, botschaft[@]makedonien.co.at
Link: www.ohrid.org.mk