Mazedonien – unbekannte Vielfalt des Balkans

Im äussersten Südosten Europas zählt Mazedonien zu den letzten unbekannten Reisezielen unseres Kontinents. Obwohl der kleine Binnenstaat hervorragend zugänglich ist und über alle Annehmlichkeiten der westlichen Welt verfügt, ist er für viele Reisende doch immer noch ein weisser Fleck auf der Landkarte – und das, obwohl Mazedonien landschaftlich und kulturell aussergewöhnlich viel zu bieten hat.

Fast vollständig von Gebirgs- und Hügellandschaften durchzogen, eröffnen sich dem Besucher in Mazedonien immer wieder atemberaubende Szenerien; glasklare Seen und malerische Dörfchen wechseln sich mit geschichtsträchtigen Ruinen, alten Klöstern und osmanischen Moscheen ab. In vielen Orten fühlen sich Reisende in längst vergangene Zeiten zurückversetzt, während die grösstenteils völlig unberührten mazedonischen Landschaften eine einmalige Tier- und Pflanzenwelt mit unzähligen endemischen Arten beheimaten.

Kulturelle Vielfalt im Herzen des Balkans


Südlich des Kosovos mit Albanien, Bulgarien und Griechenland als Nachbarn wird die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien von ihrer zentralen Lage auf der Balkanhalbinsel bestimmt. Die faszinierende kulturelle Vielfalt des Balkans ist nirgendwo so allgegenwärtig wie in Mazedonien, wo sich die Einflüsse von Orient und modernem Europa, von mediterraner Lebensweise und alten orthodoxen Traditionen mischen. Und auch eine Friedensnobelpreisträgerin kann das kleine, unbekannte Mazedonien aufweisen: Mutter Theresa, die albanische Ordensschwester und Missionarin, wurde zu Zeiten des Osmanischen Reichs im heutigen Skopje geboren.

Kiefernwälder im Nationalpark Pelister (Bild: Ksenija Putilin / Wikimedia / CC)
Die ethnische und religiöse Vielfalt macht Mazedonien zu einem besonders vielfältigen Reiseziel, das immer wieder überrascht und in dem orthodoxe Kirchen und osmanische Moscheen vielerorts Seite an Seite stehen. Einen Eindruck von der kulturellen Vielfalt Mazedoniens bietet die antike Stadt Prilep mit ihrem alten Basar und der Carshi-Moschee aus dem 15. Jahrhundert, aber auch einer Vielzahl orthodoxer Kirchenbauten und dem Trescavec-Kloster, das in traumhafter Panoramalage aus den Felsen emporzuwachsen scheint. Unweit der Stadt selbst liegt die Ausgrabungsstätte Stybera, eine der grössten antiken Städte des Landes, während der Uhrturm von Prilep als schönster seiner Art in Mazedonien gilt.

Skopje – ein Stück Europa mitten im traditionsreichen Mazedonien

Als Hauptstadt und grösste Metropole des Landes ist Skopje nicht nur kulturelles, politisches und wirtschaftliches Zentrum von Mazedonien, sondern vor allem auch das europäisch orientierte, weltoffene Gegenstück zu den dörflichen Regionen des Landes. Unter der prägenden Silhouette der mächtigen Festung Kale reihen sich die Restaurants und Cafés des alten Basars aneinander, während Reisende über die berühmte Steinbrücke der Stadt über den Fluss Vardar zum zentralen Mazedonien-Platz mit der Statue Alexanders des Grossen gelangen. Moscheen, Hammams und Karawansereien erinnern an die osmanische Herrschaftszeit; zugleich steht das 66 m hohe Milleniumskreuz, eines der grössten Kreuze weltweit, sinnbildlich für die christliche Geschichte des Landes. Das Milleniumskreuz auf dem Berg Vodno ist inzwischen auch über eine Seilbahn bequem zu erreichen.

Festung Kale in Skopje (Bild: Yemc / Wikimedia / public domain)
Zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten von Skopje zählt das Mutter-Theresa-Gedenkhaus, das an der Stelle ihrer einstigen Taufkirche an die albanische Nonne und Missionarin erinnert. Mutter Theresa wurde 1910 in Üsküb geboren – die türkische Bezeichnung für das heutige Skopje – und entschied sich schon im Alter von zwölf Jahren, ihr Leben als Ordensschwester zu führen. Wenngleich sie einen Grossteil ihres Lebens als Armenpflegerin in Indien verbrachte, gilt sie heute als berühmteste Schwester des Landes. Im Gedenkhaus erinnert ein Museum an die 1997 gestorbene Friedensnobelpreisträgerin.

Neben der Hauptstadt Skopje zeigt auch Bitola, die zweitgrösste Stadt des Landes, Mazedoniens europäisches Gesicht. Die historische Altstadt aus osmanischer Zeit, die orthodoxen Kirchen und der alte Uhrturm der Stadt bilden einen überraschenden Gegensatz zum pulsierenden Nachtleben von Bitola und der Flaniermeile Širok Sokak, die vor der Kulisse historischer Gebäuden zum Bummeln zwischen Ladengeschäften, Cafés und Restaurants einlädt.
Flaniermeile Širok Sokak in Bitola (Bild: Ilievski Vladimir / Wikimedia / CC)

Unberührte Natur im Herzen des Balkans

Mazedoniens grösster Schatz ist seine grösstenteils unberührte Natur, die mit einer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt, atemberaubenden Landschaftsformen und menschenleeren Weiten lockt. Mazedonien ist Heimat unzähliger endemischer Arten, von denen viele im Ohridsee zu finden sind, dem grössten See des Landes an der Grenze zu Albanien. Der Ohridsee zählt zu den ältesten Seen der Welt; seine Entstehung reicht mehrere Millionen Jahre zurück. Seit 1979 zählt der See gemeinsam mit dem angrenzenden Nationalpark Galičica zum UNESCO-Welterbe, ebenso wie die Altstadt der gleichnamigen Küstenstadt Ohrid, die einst Hauptstadt des Bulgarischen Reiches war und heute mit ihrer mittelalterlichen Festung, ihren Moscheen, Kirchen und Klöstern lockt.

Der Nationalpark Galičica, ebenso wie der Ohridsee UNESCO-Welterbe, erstreckt sich über eine Fläche von rund 240.000 km² zwischen dem Ohridsee und dem Prespasee. Die atemberaubenden Gebirgslandschaften des Nationalparks bieten vielerorts traumhafte Ausblicke sowohl auf die umliegenden Berge als auch auf die beiden grossen Seen. Zu den weiteren Schutzgebieten des Landes zählen der Nationalpark Mavrovo, der grösste der drei mazedonischen Nationalparks, und der Nationalpark Pelister in der Gemeinde Bitola.

Blick von Ohrid auf den Ohridsee (Bild: PMK1 / Wikimedia / public domain)


Im Baba-Gebirge auf bis zu 2600 m Höhe gelegen, beheimatet der Nationalpark Pelister eine einzigartige Flora und Fauna. Zu den bedeutendsten Pflanzen des Parks zählt einer der weltweit einzigen Bestände der Rumelischen Kiefer, die nicht ohne Grund auch den Beinamen “Mazedonische Kiefer” trägt. Der Nationalpark Mavrovo wiederum lockt nicht nur Wanderer und Mountainbiker mit majestätischen Berglandschaften, sondern ist auch ein beliebtes Skigebiet.

VON ANDREA RATHJEN